Medium Panorama

Bevor die ersten bewegten Bilder die Kinos füllen, ist das Panorama mit seinen Darstellungen von Städten, Landschaften und Schlachten der visuelle Publikumsmagnet schlechthin. Als Erfinder gilt der Brite Robert Barker, der 1787 die neue Medienform patentieren lässt und selber ein 360-Grad-Bild von Edinburgh malt.

Die Sehlust ist ein Urbedürfnis der Menschen und hat seit je das Tüfteln mit Illusionswirkungen beflügelt. Die Gemälde werden so lebensecht wie möglich gemalt, lichtmässig ausgeklügelt inszeniert, mit installativen Elementen versehen («faux terrain») und von einer Plattform aus betrachtet. Die Kombination aus Rundbild und «Faux-Terrain» umgibt die Besuchenden und schafft ein gewaltiges optisches Gesamtkonstrukt: Unmittelbar befinden sich die Betrachtenden mitten in der dargestellten Landschaft oder dem präsentierten Ereignis. Die Streuung des von Dachfenstern einfallende Tageslicht verstärkt den Eindruck der dreidimensionalen Realität. Das Panorama überwindet Orts- und Zeitgrenzen und lädt die Betrachtenden zur Augenzeugenschaft des dargestellten Geschehens ein. Landschaften, Städteansichten oder historische Schlachten sowie auch religiöse Themen wie Jerusalem und die Kreuzigung Christi bilden die Hauptinhalte der historischen Panoramen.

Facts

1881 Gemalt von Edouard Castres in Genf
1889 Umzug nach Luzern in die neue Rotunde
1996-2003 Komplettsanierung Gemälde und Gebäude
2008 Erneuerung Vorgelände (Faux-Terrain)
Technik Öl auf Leinwand
Malgewebe Leinwand / Jute, 17 Gewebebahnen
Masse 10 x 112 m (ursprünglich 14 x 112 m)


Im Bourbaki-Blog finden Sie weitere spannende Fakten, Geschichten und Hintergrundinformationen zum Bourbaki Panorama und zum Medium Panorama.

Kulturschatzkarte

Das Bourbaki Panorama ist ein einmaliges Kulturgut. Es findet Erwähnung auf der von der Pro Patria 2022 lancierten Kulturschatzkarte, einer Auswahl der von der Stiftung in den letzten 30 Jahren unterstützten Projekten.  


Von der Sehlust

Seit jeher ist der Mensch fasziniert von optischen Illusionen. Seine «Sehlust» beflügelt seit Urzeiten die Tüftelei mit Illusionswirkungen. Der Wunsch des Menschen, Realitäten nachzubilden und Illusionen zu erzeugen, zieht sich durch alle Zeitalter der Kunst- und Mediengeschichte. Zugrunde liegt einerseits das Bedürfnis, mit raffinierten Techniken eine stärkere emotionale Bindung zwischen Betrachtenden und einer Geschichte herzustellen. Andererseits mag auch das Vergnügen, sich in immer neuen Variationen der puren Sehlust hinzugeben, die Suche nach neuen Illusionstechniken beflügelt haben.
Erfindern, Tüftlern und Künstlern gelingt es, in einem stetigen Entwicklungsprozess Objekte und Mechanismen zu kreieren, die das Auge täuschen, Dreidimensionalität vorspiegeln und Illusionen erzeugen. Dazu gehören Erfindungen wie die Maltechnik des Trompe–l’OEil, die Camera obscura, die Laterna magica, die Wundertrommel, das Stroboskop oder das Daumenkino.

Einen Meilenstein im Schaffen von Illusionswelten bildeten die sogenannten «Grand Panoramen», zu denen auch das Bourbaki Panorama Luzern als eines der weltweit wichtigsten und besterhaltenen Beispiele zählt.


Panoramawelt

Seine raffinierte optische Illusionswirkung macht das Panorama zum visuellen Massenmedium des 19. Jahrhunderts, zum «Kino avant la lettre». Mit dem Bestreben, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Illusion zu verwischen, gilt es zudem als Wegbereiter für heute 3D-Projektionen und Virtual-Reality-Darstellungen.

Aus der Zeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts haben bis heute etwa 30 runde und halbrunde Panoramen überlebt. Ein Teil davon ist ausgestellt und den Besuchenden zugänglich. Andere sind, teils in Stücke aufgeteilt, eingelagert und daher nicht öffentlich zugänglich.

Das Phänomen des Panoramas bleibt lebendig und entwickelt sich weiter. Gerade in der Gegenwart erlebt das Medium Panorama einen neuen Boom. Das Bedürfnis nach Illusion und Suggestion in all seinen Formen ist so stark wie eh und je: Neben den erhaltenen historischen Panoramen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden und werden neue kreisrunde Panoramen und auch Halbkreispanoramen geschaffen. Die weltweite Familie der Panoramen wächst und fast jedes Jahr kommt ein neues Panorama hinzu! Aktuell gibt es weltweit wieder ungefähr 85 Rund-Panoramen.


Edouard Castres

Castres war ein Maler mit einer Mission. Der Maler des Bourbaki Panorama Rundbildes weiss genau, was er auf die Leinwand bringen will. Edouard Castres (1838–1902) hat als freiwilliger Sanitäter beim Roten Kreuz den Grenzübertritt in Les Verrières selber miterlebt. Seine realistische Darstellung des Kriegselends, die sich auf die individuellen Schicksale konzentriert, ist auch ein Weckruf für den Frieden. Kompositorisch muss Castres verschiedene Herausforderungen bewältigen. Eindrücklich gelingt es ihm, das langgestreckte Val de Travers auf eine kreisrunde Leinwand zu bringen. Ausschlaggebend für die Wirkung ist auch die Wahl der «idealen Mitte» des Panoramas. Er konstruiert einen Standort, von dem aus die Landschaft und das Geschehen bis weit ins Tal hinein überblickt werden können. Castres realisiert das Rundbild 1881 in Genf mit einem Maler-Team, das er zum Teil aus den Reihen der Schüler von Barthélemy Menn rekrutiert. Zu ihnen gehört auch der junge Ferdinand Hodler.

Die Maler

Edouard Castres rekrutierte einige seiner Malergehilfen unter den Schülern von Barthélemy Menn, unter ihnen auch der junge Ferdinand Hodler. Menn war der Lehrer Ferdinand Hodlers und der Maler, der die französische Pleinairmalerei in der Schweiz etablierte.

Zitat

«Edouard Castres bleibt trotz der Qualität und Varietät seines Werkes ein bis heute unterschätzter Künstler.»

Pierre Bosson, «Edouard CASTRES (1838-1902) – Grand peintre genevois méconnu et les Bourbaki»


Restaurierung

1000 Quadratmeter Bild brauchen Pflege! Im Verlauf der Jahrzehnte hat das 1881 geschaffene Rundbild von Edouard Castres beträchtliche Schäden erlitten. Der Verein Bourbaki Panorama Luzern wird 1979 gegründet, um das einzigartige Rundbild vor dem Zerfall zu retten und die Restaurierungsarbeiten zu finanzieren. 1996 setzen die ersten Sicherungs- und Konservierungsarbeiten am über tausend Quadratmeter grossen und ebenso viele Kilogramm schweren Gemälde ein. In den nächsten sieben Jahren erfolgen in mehreren Phasen weitere Eingriffe. Es gilt, grosse Faltenwürfe aus dem Gemälde zu entfernen und die durch Russablagerungen stark verschmutzte Oberfläche zu reinigen. Aufwendig ist auch das Verkleben der über tausend Löcher und Risse in der Leinwand. Dazu wird eine eigens dafür entwickelte Methode eingesetzt. Um den Zustand des Bildes langfristig zu stabilisieren, werden eine Klimaanlage eingebaut und die Dachfenster erneuert. Die Erhaltung und die regelmässige fachliche Betreuung des Bildes gilt es auch in Zukunft sicherzustellen. Der Verein Bourbaki Panorama Luzern unterstützt die Erhaltung des Bourbaki Panorama mit Mitgliedschaften und Spenden. 

Restauratoren

Christian Marty
Konservator-Restaurator SKR-SCR FIIC

Susanna Pesko Bonoli
diplomierte Konservatorin-Restauratorin
lic. Kunsthistorikerin

restaurator@bourbakipanorama.ch