Absinthe
Die aktuelle Trouvaille, der hochprozentige «Geist» des Val-de-Travers, polarisierte einst eine ganze Generation und fördert zuweilen berauschende Geschichten zutage: Vor rund einem Jahrhundert verschrien ihn die einen als Teufelsgetränk, die anderen verehrten ihn als Zaubertrank und die Masse genoss ihn als Lebenselixier ...
Seinen Namen verdankt der «Absinthe» seinem bitteren pflanzlichen Hauptbestandteil, dem Wermutkraut oder Artemisia absinthium. Anis und Fenchel versüssen seinen Geschmack. Minze und Melisse verleihen ihm seine besondere Farbe und machen ihn zur verheissungsvollen «Grünen Fee». Diese beflügelt seit ihrer Erfindung um 1769 – knapp hundert Jahre vor der Bourbaki-Internierung – Maler und Poeten, Tänzerinnen und Damen von Welt und Halbwelt.
Die nach der kolonialen Eroberung Algeriens um 1830 nach Frankreich zurückkehrenden Soldaten hatten sich an die stimmungsaufhellende «Medizin» gewöhnt, die ihnen während dem Kriegseinsatz in Tagesrationen verabreicht wurde – vorsorglich gegen Ruhr, Typhus und Malaria und bringen die Gewohnheit auch in der Heimat zum Blühen: In den Grossstädten Europas zieht abends zwischen 17 und 19 Uhr die «Heure verte» ein, die grüne Stunde des Absinths. Dem Ritual frönen Frauen wie Männern sämtlicher Bevölkerungsschichten.
Um 1908 – im Zenit ihrer Popularität – gelangt die «Grüne Fee» hart unter Beschuss und verfällt im Zuge der Antialkoholbewegung einem beinahe 100-jährigen Verbot. 2005 wird sie rehabilitiert. Heute verfügt einzig die Schweiz über qualitätssichernde Produktionsregulationen.
Ob sich auch die Bourbaki-Soldaten bei ihrer Internierung im bitterkalten Winter 1871 im Val-de-Travers an diesem Getränk labten? Die Etikette lässt dies zumindest vermuten. Womöglich entstand sie erst viel später – sozusagen als nostalgischer Rekurs auf die Internierung und als Marketingstrategie – als der Absinth bereits zum Modegetränk durchgesickert war.
Hinweis:
Vertreterinnen und Vertreter des Vereins Museen Luzern stellen wöchentlich eine Trouvaille aus ihrem Fundus an Objekten und Geschichten vor.