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Blinde Flecken und überraschende Ansichten

Genauso wie unser Auge verfügt auch das Bourbaki Panorama über blinde Flecken – Stellen, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind: Ihre Unsichtbarkeit ist ein essentieller Bestandteil seiner Konstruktion.

Bei einem regulären Besuch gelangen die Sehlustigen auf die Besucherplattform und betrachten die Vorderseite des riesigen Rundbildes. Hier bewahren sie den optimalen Abstand zur Leinwand und erkunden das Monumentalwerk gewissermassen in einer standardisierten Illusions-Optik: Das Ausblenden des Bildrandes suggeriert den Eindruck von Unendlichkeit und schafft damit optimale Voraussetzungen zum immersiven Eintauchen ins Bildgeschehen. Die Grösse der Leinwand übertrifft also die bildnerische Darstellung. Der Randbereich wird vom dreidimensionalen Vorgelände, dem Faux-Terrain, verdeckt. Bei der Herstellung des Rundbildes waren sich die Künstler über diese Eigenart der Panoramakonstruktion bewusst. Der Randbereich war also von Anfang an ihr intimes (Mal-)Terrain. 

Nichtsdestotrotz bieten die unsichtbaren Ausläufer beeindruckende Ansichten. Wer ein «Tête-à-tête» mit der Leinwand wagt, entdeckt den Reichtum des Willkürlichen: Die «Randnotizen» zeigen neben der bräunlich-rötlichen Grundierung Farbausläufer, Pinselabstriche und Inskriptionen und erlauben eine Vorstellung der impressionistisch anmutenden Malweise, mit der sein Schöpfer Edouard Castres und sein Team 1881 arbeiteten ...

In diesen Randgebieten treten zuweilen auch Risse zum Vorschein. Neben ihrer ästhetischen Erscheinung sind sie genauso Zeugen einer Jahrzehnte andauernden Beanspruchung wie eines dynamischen Eigenlebens. Denn trotz stabiler klimatischer Raumbedingungen kann eine Bewegung des Bildes nicht verhindert werden: Gleichsam einer atmenden Lunge dehnen sich Leinwand und Malschicht aus und ziehen sich zusammen, in vertikaler wie auch in horizontaler Richtung.

Übrigens: Exquisite Nahansichten gewährt das Bourbaki Panorama jeweils bei einem Gang hinter die Kulissen in Begleitung der Restauratoren – ein besonderes (Seh-)Vergnügen!

Text: Barbara Steiner, Bourbaki Panorama Luzern 
Foto: Bourbaki Panorama Luzern

Hinweis:
Vertreterinnen und Vertreter des Vereins Museen Luzern stellen wöchentlich eine Trouvaille aus ihrem Fundus an Objekten und Geschichten vor.

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