Illusionstechniken
Durch sämtliche Zeitalter war es Ziel der Menschen, Illusionen zu erzeugen, aus Vergnügen und zur Unterhaltung. Wir wollen im untenstehenden Kapitel einige der Mittel und Techniken genauer anschauen.
Trompe – l’œil
Trompe – l’œil ist französisch und heisst: das Auge täuschen. Es handelt sich dabei um einen Malstil bei dem versucht wird, Fotorealismus zu erzielen. Auch nennt man Wand- und Deckenmalereien so, die eine scheinbare Vergrösserung der jeweiligen Architektur bewirken sollen, indem sie Architekturen, Landschaften oder Skulpturen geometrisch genau vortäuschen. Die ältesten Beispiele kennt man aus Pompeji.
Der Trompe-l`œil-Stil entwickelte sich in der Renaissance und geht einher mit der Entdeckung der Perspektive und den Fortschritten im Bereich der Optik. Seit dem 14. und 15. Jahrhundert versuchte man in Innenräumen künstliche Ausblicke durch gemalte Fenster und Kuppeln zu schaffen, um auf diese Weise die Räume zu vergrössern.
In der kirchlichen Malerei begann die Blütezeit des Trompe-l`œil mit der Gegenreformation (16. Jahrhundert). Die Deckengewölbe manieristischer (übertrieben, gekünstelt) Kirchen der Jesuiten wurden mit Himmelfahrten Jesu oder Marias bemalt und damit dem Himmel geöffnet. Im Rokoko (1720 – 1780) wurden diese Darstellungen wieder weltlicher und nahmen sich der klassisch-antiken Themen an, zum Beispiel den Götterdarstellungen.
Heutzutage kommt das Trompe-l’œil zwar noch als Innenraumgestaltung vor, doch hat sie in der Filmindustrie überlebt als sogenanntes Matte Painting (Hintergrunds-Bilder). In den ersten Star Wars-Filmen wurde diese Technik wiederentdeckt und perfektioniert, um die Kosten für Studioarchitekturen zu sparen. Der darzustellende Raum wurde auf Glasscheiben gemalt, nur wenige Stellen wurden dazu frei gelassen. Durch diese freien Stellen konnte die Kamera blicken – so mussten nur kleine Teile des Filmsets gebaut werden; die Schauspieler agierten in diesem Bereich, auf der Kino-Leinwand kann man dann keinen Übergang mehr feststellen.
Camera Obscura (Lochkamera)
1. Historisches
Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. werden die grundlegenden optischen Prinzipien in chinesischen Texten niedergeschrieben.
Im westlichen Kulturkreis fand die Entdeckung der Bildprojektion durch ein Loch etwa zur selben Zeit statt. Bereits Aristoteles beschrieb im 4. Jahrhundert v. Chr. Erscheinungen, die er allerdings nicht erklären konnte. Er stellte fest, dass Sonnenlicht, welches durch Flechtwerk hindurch schien, ein Bild der Öffnungen, durch die es gelangte, auf den Boden projizierte. Anlässlich einer Sonnenfinsternis entdeckte er, dass die winzigen Öffnungen im Blattwerk eines Baumes Abbilder der Sonne auf dem Boden erzeugten.
Bis zum Verständnis der Erscheinungen sollten noch viele Jahrhunderte vergehen. Ein erster Meilenstein auf dem langen Weg war die Entdeckung arabischer Gelehrter im 10. Jahrhundert, dass sich Licht geradlinig ausbreitet. Sie fanden dies durch Experimente mit der Projektion des Bildes dreier Kerzen durch ein kleines Loch heraus. Die erzeugten Abbilder liessen sich durch eine gedachte Gerade durch das Loch mit ihren Originalen verbinden.
In den folgenden Jahrhunderten wurden die bisher erkannten Abbildungsmög-lichkeiten mit Hilfe eines Lochs vor allem von Astronomen zum Studium des Sonnenlichts und von Künstlern als Zeichenhilfe für Studien der Perspektive genutzt. Bekannte Namen wären hier Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer.
Da Vinci beschrieb als erster eine richtige Camera Obscura im eigentlichen Wortsinn: "Wenn die Fassade eines Gebäudes, oder ein Platz, oder eine Landschaft von der Sonne beleuchtet wird und man bringt auf der gegenüberliegenden Seite in der Wand einer nicht von der Sonne getroffenen Wohnung ein kleines Löchlein an, so werden alle erleuchteten Gegenstände ihr Bild durch diese Öffnung senden und werden umgekehrt erscheinen".
Nunmehr wurde das Prinzip der Camera Obscura in vielfältiger Weise verwendet. So brachte der italienische Mathematiker und Astronom Toscanelli 1475 einen bronzenen Ring mit einer kleinen Öffnung in einem Fenster der Kathedrale in Florenz an. An sonnigen Tagen wird ein Bild der Sonne auf den Boden der Kathedrale geworfen. Eine Mittagsmarke am Boden gibt die Möglichkeit zur Zeitbestimmung. Dieser Ring kann heute noch besichtigt werden.
Eine ähnliche Vorrichtung wurde 1580 von päpstlichen Astronomen genutzt, um Papst Gregor XIII. zu beweisen, dass die Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche auf den 11., statt wie eigentlich korrekt auf den 21. März fiel. Dies führte zur berühmten gregorianischen Kalenderreform.
Im 16. Jahrhundert kamen zwei verschiedene Arten der Camera Obscura auf. Neben der bekannten - ein verdunkelter Raum mit einer kleinen Öffnung in der Wand -, die z.B. von Frisius zum Studium einer Sonnenfinsternis genutzt wurde, führte der deutsche Astronom Johannes Kepler, der auch den Ausdruck "Camera Obscura" (= "dunkler Raum") prägte, eine Abart ein, indem er das Loch durch eine Linse ersetzte. Diese Linse erzeugte ein helleres Bild, das allerdings nun nur noch auf eine bestimmte Entfernung fokussiert werden konnte. Kepler war es auch, der später als erster eine tragbare Camera Obscura benutzte.
Das 19. Jahrhundert brachte die Erfindung der begehbaren Camera Obscura als Unterhaltungsmittel für die Bevölkerung. Durch geschickte Drehmechanismen im Dach sowie durch Verwendung einer Meniskuslinse ist es in diesen Räumen möglich, ein relativ helles Rundumbild der Umgebung auf eine waagrechte Projektionsfläche zu werfen.
2. Technisches
Fotografieren mit der Lochkamera ist in vieler Hinsicht vergleichbar mit der "normalen Fotografie". Der Hauptunterschied liegt darin, dass die verwendete Kamera bzw. deren Objektiv keine Linse aufweist. Stattdessen besitzt sie eine sehr kleine Öffnung (das Loch), welches das Bild auf die Wand projiziert. Diese Tatsache erfordert eine andere Arbeitsweise mit der Kamera (hauptsächlich weil die Belichtungszeiten sehr lang werden) und erzeugt Bilder, die sich von Aufnahmen mit einer üblichen Kamera in mehrfacher Hinsicht unterscheiden.
Während eine Linse ein Bild dadurch erzeugt, dass sie alle auf sie treffenden Lichtstrahlen von jedem Punkt des Aufnahmeobjekts in einem gemeinsamen Brennpunkt vereinigt, erzeugt das Loch einer Lochkamera überhaupt keinen Brennpunkt. Idealerweise wäre das Loch ein Punkt, also nur so gross, dass von jedem Punkt des Objekts lediglich ein Lichtstrahl passieren könnte. Dieser Lichtstrahl träfe den Film natürlich ebenfalls nur in einem Punkt. Ein Lichtstrahl von einem anderen Punkt des Objekts würde damit auch den Film an einem anderen Punkt treffen. Die Summe aller durch das Loch einfallenden Strahlen würde so ein exaktes Abbild des Objekts auf dem Film erzeugen. Würde man die Filmebene vor oder zurück bewegen, bliebe das Bild unverändert, lediglich seine Grösse würde sich abhängig von der Entfernung zum Loch ändern.
In Wahrheit ist das Loch natürlich niemals nur ein Punkt. Es werden also von jedem Punkt des Aufnahmeobjekts mehrere Lichtstrahlen ankommen und auf dem Film auftreffen. Abhängig von der Grösse des Lochs werden diese Lichtstrahlen etwas gestreut. Dies ist ein Grund, warum Aufnahmen mit der Lochkamera immer etwas weicher (unschärfer) sind als Aufnahmen durch ein Linsensystem. Ein zweiter Grund liegt darin, dass an den Lochrändern Beugungserscheinungen auftreten und die unmittelbar am Lochrand passierenden Lichtstrahlen somit aus ihrer Bahn gelenkt werden.
Da es keinen Brennpunkt gibt, wird eine Lochkameraaufnahme über das gesamte Bildfeld gleichmässig scharf. In anderen Worten: es gibt keine Beschränkung der Tiefenschärfe wie bei der Fotografie mit Hilfe von Linsen. Sehr nahe Objekte (Entfernung Objekt-Loch kleiner als Entfernung zwischen Loch und Film) werden allerdings aufgrund der Divergenz der von jedem Punkt des Objekts eintreffenden Lichtstrahlen unschärfer abgebildet.
Laterna Magica (Zauberlaterne)
Die Laterna Magica wurde Mitte des 17. Jahrhunderts erfunden, wahrscheinlich vom niederländischen Physiker Christiaan Huyens (1629 – 1695) und ist eine Vorläuferin des Diaprojektors. Verbreitet wurden die Grundlagen dieses Projektionsgerätes durch das Werk von Athanisius Kircher: “die Kunst von Licht und Schatten(Ars magna luci set umbrae)”.
Den Namen “Laterna Magica” benutzte erstmals der dänische Showman und Mathematiker Rasmussen Walgenstein um 1665. In den Anfangsjahren malten die Projektionskünstler die Laternenbilder oder vergaben Aufträge. Die Laterna Magica wurde oft so aufgestellt, dass sie für die Zuschauer nicht sichtbar war. Als Projektionsfläche diente häufig Rauch, so dass der Eindruck von frei im Raum schwebenden Figuren entstand. Mit dieser Geisterdarstellungen (Phantasmagorien : phantasma = Trug-, Traumbilder und agoreuein = öffentlich reden, gebieten), etablierte sich die Laterna Magica als professionelles Unterhaltungsmedium, deren Blütezeit im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert war. Aufgrund der Wirkung dieser Projektionen war die Laterna Magica auch unter dem Namen “Schreckenslaterne” bekannt. Im 19. Jahrhundert traten dann zunehmend Geschichten, Märchen und attraktive Bildeffekte in den Vordergrund. Auch religiöse und wissenschaftliche Themen wurden dem Publikum geboten. Im Kontext der industriellen Revolution entwickelte sich die Laterna Magica im 19. Jahrhundert zum Massenmedium. Laternen und Bilderserien wurden preisgünstig in Massenproduktion gefertigt, neue Distributionsformen und ein ausgedehntes Verleihsystem führten zur weiten Verbreitung der industriellen Produkte. Unternehmen boten in umfangreichen Katalogen Projektionsgeräte und Bildmaterial an. Aufgrund der Massenproduktion war die Laterna Magica nun auch für den privaten Gebrauch erschwinglich und wurde zum Unterhaltungsmedium für die Familie.
Ab den 1830er Jahren spielten die aus mehreren Projektionseinheiten zusammen-gefügten Nebelbildapparate (meist zwei- oder dreistrahlige Geräte, z.T. auch nebeneinander positioniert) eine herausragende Rolle. Sie ermöglichten Überblendungen verschiedener Bilder und Einblendungen (zur Erzeugung von Nebelbildern).
Fotografische Verfahren traten aufgrund der technischen Reproduktion der Bilder rasch neben die gemalten Bilder. Der zunehmende qualitative Verfall der massen-reproduzierten Projektionsbilder sowie auch der Aufführungen, löste in den 1890er Jahren eine öffentliche Debatte über die Zukunft der Projektionskunst aus. Mit der Entwicklung und Verbreitung des Kinematographen Ende des 19. Jahrhunderts verlor die Projektionskunst der Laterna Magica an Bedeutung. Die audiovisuellen Medien des 20. Jahrhunderts (Film, Diaprojektion) entwickelten Erfahrungen aus der Projektionskunst der Laterna Magica weiter, z.B. hinsichtlich Bildgestaltung und Dramaturgie. Der frühe Film gilt mittlerweile als Spätform der historischen Projektionskunst.
Neben dem breiten Feld der Unterhaltung wurde die Laterna Magica vor allem ab dem 19. Jahrhundert auch in grossem Umfang zum Zwecke der Volksbildung und Volkserziehung eingesetzt, um Aufklärung und Belehrung des Publikums in verschiedensten Bereichen zu leisten. So beschäftigten sich Darstellungen mit Geographie, Literatur, Theater, sozialen (z.B. Alkoholismus), biblischen und politischen Themen. Dahinter standen sozialpädagogische, religiöse oder politische Absichten von staatlichen oder kirchlichen Einrichtungen, sozialen Organisationen wie Parteien und anderen politischen Gruppierungen. Gerade im sozialerzieherischen Bereich wurden im Sinne grösstmöglicher Wirksamkeit neben informativen auch erzählerische Bilderserien eingesetzt. Die Volksbildungsbewegungen trugen erheblich zur Entwicklung der Projektionskunst als Massenmedium bei.
Die Illusion der Bewegung
Ab 1840 werden in Europa optische Spielereien besonderer Art angeboten: Das Thaumatrop (Wunderscheibe), das Phenakistiskop oder Stroboskop (Lebensrad) und das Zoetrop (Wundertrommel).
Die Attraktivität des Wunderrades und der Wundertrommel (Phenakistiskop und Zoetrop) beruht auf zwei Eigenschaften der Wahrnehmung, deren Erkenntnis auch die Geschichte der Projektion nachhaltig verändert, dem stroboskopischen Effekt und dem Nachbildeffekt. Der Nachbildeffekt kommt dadurch zustande, dass ein Lichtreiz, der auf das Auge einwirkt, nicht sofort erlischt. Wenn die Abbildung einer Wahrnehmung auf der Netzhaut abrupt von einer anderen unterbrochen wird, wirkt die erste noch eine Weile nach. Dies ist ein physiologisches Phänomen des menschlichen Auges. Der stroboskopische Effekt dagegen wird im Bewusstsein des Betrachters hervorgerufen, er ist also psychologischer Natur. Werden Einzelbilder von Bewegungsabläufen mit geringfügigen Phasenabweichungen scharf abgegrenzt nacheinander wahrgenommen, entsteht der Eindruck einer Bewegung. Dieser Moment der Täuschung ist die Voraussetzung für das filmische Sehen, das von der Nachbildwirkung noch unterstützt wird.
Phenakistiskop (Wunderrad)
Das Phenakistiskop (auch Phantaskop, Wunderrad, Wundertrommel) ist eine Erfindung aus dem Jahr 1832, die unabhängig voneinander Joseph Plateau in Gent und Simon Ritter von Stampfer in Wien gelang und ein Vorläufer der heutigen Filmprojektoren ist.
Es besteht aus einer rotierenden Scheibe, auf der Abbildungen eines Bewegungsablaufes montiert werden. Betrachtet man die sich schnell drehende Scheibe durch einen Sehschlitz, so entsteht beim Betrachter aufgrund der Trägheit der menschlichen Wahrnehmung der Eindruck einer flüssigen Bewegung.
Es handelt sich dabei um die erste Anwendung der Netzhautträgheit zur Animation von gezeichneten Bildern; mit dem Phenakistiskop wurden auch die ersten errechneten Bilder animiert.
Verbesserungen des Prinzips gelangen später William George Horner mit seinem Zoetrop bzw. Zootrop sowie Franz von Uchatius, der das Phenakistiskop 1853 mit der Laterna Magica zu einem Projektionsapparat kombinierte. Diese Erfindung wurde wiederum durch Charles Emile Reynaud1877 mit dem Praxinoskop durch die Integration von Spiegeln und Beleuchtung weiter entwickelt. Weitere Verbesserungen gelangen, bis schliesslich Thomas Alva Edison1889 den Kinematograph und das Kinetoskop vorstellt.
Zoetrop (Wundertrommel)
Das Zoetrope ist eine Weiterentwicklung des Phenakistiskops (auch Lebensrad von 1832). Während das Lebensrad eine Scheibe zur Abbildung der Bewegung benutzte, setzte der Erfinder des Zoetropes, der englische Mathematiker William George Horner, 1834 ein bemaltes Band ein. Dieses legte er in eine oben offene Trommel mit Schlitzen, durch die der Betrachter die einzelnen Phasen als flüssige Bewegung wahrnehmen konnte, wenn er die Trommel rotieren liess (es entstand also ein stroboskopischer Effekt). Bei Horner entsprachen sich die Anzahl der Schlitze und der Bewegungsphasen. Auf das Band der Wundertrommel passten mehr Zeichnungen als auf das Lebensrad, so dass längere Abläufe dargestellt werden konnten. Das Prinzip des Zoetropes, nach 1865 ein beliebtes optisches Spielzeug, wurde sowohl von Emile Reynaud (Praxinoskop) als auch von Ottomar Anschütz weiterentwickelt. Letzterer erweiterte die Trommel unter dem Namen ‚Tachyskop’ oder ‚Schnellseher’ um zwei Öffnungsreihen, wobei die eine mehr und die andere weniger Schlitze hatte, als gezeichnete Bewegungsphasen vorhanden waren. Der Betrachter sah auf diese Weise den abgebildeten Gegenstand oder Menschen sich auf der Stelle bzw. nach vorne oder nach rückwärts bewegen.
Daumenkino
Die genauen Anfänge des Daumenkinos sind kaum zu bestimmen, klar ist nur, dass sie bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Im Jahre 1824 entdeckte der Physiologen Peter Mark Roget bei seinen Forschungen, dass das Auge eine Serie statischer Bilder, auf der sich das Abgebildete jeweils leicht verändert, als bewegtes Bild wahrnimmt, wenn man die Einzelbilder in rascher Folge vor dem Auge abspielt. Diese Entdeckung führte in der Folge zur Konstruktion zahlreicher optischer Spielzeuge mit so exotisch anmutenden Namen wie Traumatrop (1825), Phenakistiskop (1832), Zoetrop (1834), Praxinoskop (1877) und Mutoskop (1894). Allen diesen optischen Spielzeugen war gemeinsam, dass sie mit komplizierten filigranen Apparaturen und wenigen Bildern das Medium Film antizipierten. Auch das Daumenkino, das erstmals im Jahre 1868 von dem englischen Drucker John Barnes Linnett unter der Bezeichnung "Kineograph" zum Patent angemeldet wurde, basiert letztendlich auf diesem Prinzip.
Es ist jedoch höchstwahrscheinlich, dass das Prinzip des Daumenkinos zu diesem Zeitpunkt bereits verschiedenste Anwendung gefunden hatte, die trickreiche Verwendung des Mediums Buch lässt sich zumindest weiter zurückverfolgen. Seit der frühen Neuzeit gab es Gaukel- und Zauberbücher, die auf bestimmte Arten und Weisen gezinkt und präpariert wurden, etwa durch Register- oder Buckelschnitt, so dass der Gaukler auf eine scheinbare Veranlassung durch das Publikum bestimmte Seiten zeigen konnte, ohne dass letzteres dazu in der Lage war, den Trick zu durchschauen.
Stereoskopie
Die Stereoskopie ist die Gesamtheit der Verfahren zur Aufnahme und Wiedergabe raumgetreuer Bilder. Das Wort "stereo" hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet körperlich oder räumlich. Heute wird dieses Wort eher im Zusammenhang mit der Stereophonie, also dem Raumklang gebraucht, auch wenn es seit Mitte des 19. Jh. ein Begriff für das Raumsehen war und die Erkenntnisse zum räumlichen Sehen sehr viel älter sind.
Bereits im 4. Jh. v. Chr. befasste sich der griechische Mathematiker Euklid mit der Stereometrie. Er wusste bereits um den physiologischen Zusammenhang zwischen den beiden Stereohalbbildern und dem räumlichen Seheindruck. Doch die rasanteste Entwicklung nahm die Stereoskopie in der Mitte des letzten Jahrhunderts.
1838 veröffentlichte Sir Charles Wheatstone (1802-1875) seine ersten Forschungsergebnisse über körperliches Sehen. Er berechnete und zeichnete Stereobildpaare und konstruierte für deren Betrachtung einen Apparat, bei dem der Blick des Betrachters durch Spiegel auf die Halbbilder umgelenkt wurde. Diesen Apparat nannte er Stereoskop, eine Bezeichnung, die heute noch verwendet wird.
1849 stellte Sir David Brewster (1781-1868), die erste Zweiobjektiv-Kamera vor. Damit konnte man zum ersten Mal Schnappschüsse stereoskopisch festhalten (single shot). Bis dahin wurden die Stereohalbbilder nacheinander belichtet und die Kamera zwischen den beiden Aufnahmen im Augenabstand verschoben. Im gleichen Jahr stellte er auch ein Prismenstereoskop vor, mit dem man die Aufnahmen, welche mit der Brewster-Kamera fotografiert wurden, betrachten konnte.
1851 führte der französische Optiker Jules Dobascq auf der Weltausstellung in London seine Apparate der Öffentlichkeit vor. Es waren Stereoskope nach Konstruktionen von Brewster. Die Resonanz des Publikums war überwältigend, und auch Königin Victoria begeisterte sich für diese Präsentation. Damit war der Siegeszug der Stereobilder nicht mehr aufzuhalten.
Bereits 1860 waren in Europa über eine Million Stereoskope und ein Vielfaches an dazugehörigen Stereokarten verkauft. Dieser Boom hielt bis zur Jahrhundertwende an, und jeder namhafte Kamerahersteller war darauf bedacht, auch stereoskopische Aufnahmegeräte im Programm zu haben.
Anfang des 20. Jh. ging das Interesse an Stereobildern stark zurück. Die Verbreitung der 35mm Kleinbildkamera bei Fotografen und Amateuren und ein zunehmendes Angebot an schnellebigen Printmedien liessen die Stereoskopie fast in Vergessenheit geraten. Von verschiedenen Kameraherstellern gab es im Laufe der Jahre noch das eine oder andere stereoskopische Modell, allerdings ohne nennenswerten Erfolg.
In den 50er wurde View-Master System sehr populär. Eine View-Master Bildserie bestand aus einer oder mehreren runden Scheiben mit jeweils sieben Stereopaaren. Diese konnte man mit dem View-Master Betrachtungsgerät, durch Ziehen eines Hebels, nacheinander anschauen. Das System war weltweit verbreitet, und es gab Tausende von Bildserien, wie z. B. Reiseberichte, Spielfilmszenen oder Comics. Verschiedene Hersteller boten sogar Kameras für 35mm Diafilm im View-Master Format an. Mit der dazugehörigen Stanze konnte man sich die Bildpaare ausschneiden, und damit eigene View-Master Scheiben produzieren. Das System wurde bis Ende der 60er Jahre verkauft, hat aber immer das Image eines Kinderspielzeuges gehabt.
1971 erhielt der ungarische Ingenieur Dr. Dennis Gabor (1900-1979) den Nobelpreis für seine Erfindung der Holografie. Eine Holografie ist ein mit Laserlicht erzeugtes Stereogramm, bei dem auf einer Fotoplatte das Objekt und sein Interferenzmuster abgebildet werden. Obwohl er seine erste Holografie bereits 1948 produzierte wurde das Verfahren erst nach seiner Auszeichnung populär. Hologramme erreichten aber immer nur kleine Zielgruppen in der Wissenschaft und in der Kunst. Ein Vorzug der Holografie ist, dass die Raumwirkung ohne Betrachtungsgerät entsteht. Sie ist also autostereoskopisch.
Bis Ende der 80er Jahre führte die Stereoskopie ein Schattendasein. Eine Wiederentdeckung war möglich durch die technische Entwicklung von Computern. Wenn Computerprogramme räumlich werden, bedarf es grosser Rechenleistung. Diese war bis Ende der 80er Jahre, wegen der teuren Geräte, nur einem begrenzten Anwenderkreis vorbehalten. Besonders Echtzeit-Simulationen sind in Bezug auf Hardware sehr anspruchsvoll, aber mit zunehmender Prozessorleistung, besonders bei Personalcomputern, werden immer mehr Applikationen plastisch. Das gilt für Spiele genauso, wie für technische oder wissenschaftliche Anwendungen aus den Bereichen Architektur, Maschinenbau, Medizin oder Chemie. Sowohl neue Software als auch Hardware-Komponenten (Bsp. 3D-Grafikkarte) unterstützen diesen Trend.
Das charakteristische dieser Renaissance ist ihre Kontinuität. In der Entwicklung der Stereoskopie ist das erst der Beginn einer neuen Epoche, die neue Räume für Kreativität öffnen wird und noch viele Überraschungen bereit hält.
Eidophusikon
Den Namen entlehnte sein Erfinder, der englische Maler Philip James de Loutherbourg (1740-1812), der Eidetik, der Fähigkeit, sich Objekte oder Situationen so anschaulich vorzustellen, als ob sie realen Wahrnehmungscharakter hätten. Die 1781 von ihm in London eröffnete Bühne im Miniaturformat (1,80 x 2,50m) wurde nicht von Darstellern bespielt, sondern er nutzte massstabgerechte bewegliche Figuren und echte Requisiten als Versatzstücke. Sein Eidophusikon war ein Kleintheater aus bemalten, durchsichtigen Bildern, denen wechselndes farbiges Licht Leben verlieh; dazu ertönte Musik, die Johann Christian Bach eigens für diesen Zweck komponiert hatte. Als durchscheinende Vorhänge kamen Transparentbilder zur Anwendung. Loutherbourgs Idee soll eng mit der Entwicklung der Theaterbühne in der damaligen Zeit verbunden gewesen sein, und es ist zu vermuten, dass er den aus Italien stammenden und um 1755 in Paris vorgeführten Spectacles de décoration, die sich durch ein neues und kompliziertes Beleuchtungssystem auszeichneten, beigewohnt hat. Weil im Eidophusikon den Licht- und Bewegungseffekten eine derart wichtige Bedeutung beigemessen wurde, war die optische Täuschung mit dieser Erfindung zu einem ihrer Höhepunkte geführt worden.
Zimmerpanorama
Das Zimmerpanorama wurde auch optische Zimmerreise, Kosmorama, Europarama, Panoptikons Europareise und Welttheater genannt. Es bestand aus einer zerlegbaren Guckkasten-Apparatur, mit der die Panorama-Maler von Ort zu Ort reisten. Durch leicht vergrössernde optische Gläser konnten die häufig effektvoll beleuchteten Bilder betrachtet werden: Detailgetreu gemalte Landschaften, Städteansichten, Naturschauspiele, Szenen mit Menschen aus fremden Ländern. Das fehlende Rundumerlebnis der Grosspanoramen machten die Kleinpanorama-Schausteller mit einem häufigen Wechsel der Bilder wett. Der Panorama-Maler Hubert Sattler zum Beispiel verfügte um 1850 über mehr als hundert Reisebilder aus der ganzen Welt.
Kaiserpanorama
In Breslau stellte 1880 der Erfinder August Fuhrmann das erste Kaiserpanorama dem Publikum vor. Um einen hölzernen Zylinder von knapp 5 m Durchmesser fanden 25 Personen Platz. Durch Gucklöcher waren handkolorierte, von hinten beleuchtete Glas-Stereo-Fotos zu sehen. Auf ein Klingelzeichen drehte sich im Innern des Zylinders die ganze Maschinerie weiter und ein neues Motiv tauchte auf. Pro Vorstellung waren 2 Serien mit je 50 Bildern zu sehen, die exotische Gegenden, berühmte Bauten und Kunstwerke oder aktuelle Ereignisse zeigten. Im Verlaufe der Zeit entstanden Tausende von Glasdia-Serien. In wöchentlichem Turnus wurden diese in über 250 Kaiserpanorama-Filialen in ganz Europa präsentiert. Im Gegensatz zu den damals üblichen Guckkästen auf den Jahrmärkten betrachtete Fuhrmann sein Kaiserpanorama als «Bildungsinstitut ersten Ranges» und warb dafür mit grossem Erfolg bei Pädagogen und Gelehrten.
Stereoptikon/Zyklorama
Im August 1894 überraschte in Chicago Charles A. Chase das staunende Publikum zum ersten Mal mit einer kinoartigen Diaschau: der grosse Brand von Chicago. 8 Doppelprojektoren projizierten die packenden Bilder auf eine Rundleinwand. Alle 16 Dias konnten gleichzeitig gewechselt werden. Die rasche Abfolge der Fotos erzeugte beim Publikum die Illusion von Bewegung. Die sich rasant entwickelnde Foto- und Filmtechnik läutete das Ende der gemalten Grosspanoramen ein. Chase schlug vor, die Rundbilder weiss zu überstreichen und unter der Decke eine Projektionsplattform aufzuhängen. So könnten die ausgedienten Panoramagemälde mittels spannender Diaprojektionen neu genutzt werden.
Vom Grand Panorama zur Virtual Reality
Ein Panorama sticht aus der Kunstproduktion des 19. Jahrhunderts allein schon durch seine Grösse heraus. In einer 360°-Rundsicht tauchen wir direkt ins Geschehen ein und können das Auge wandern lassen, als ob wir uns im Freien aufhielten. Manchmal wird Besucheenden beim Hochsteigen der dunklen Wendeltreppe zum Bourbaki Panorama etwas schwindlig oder sie verlieren die – auch das ein Trick, die Grenzen zwischen Bild und Realität zu verwischen.
Keine Begrenzung durch einen (Bilder)Rahmen stört unseren Blick. Letztlich ist es das Ziel, uns glauben zu machen, wir seien Teil des Geschehens. Was Edouard Castres 1881 auf diese Leinwand gemalt hat – und was mit Faux-Terrain und einer Geräuschkulisse ergänzt wurde, um die Grenzen zwischen dem Rundbild und dem umgebenden Raum weiter zu verwischen – darf als eine der Urformen von Virtual Reality beschrieben werden.